Pflege - Deutsche sorgen unzureichend vor
Die Kosten der stationären Pflege steigen unaufhaltsam. Der Eigenanteil des Pflegebedürftigen oder deren Angehörigen liegt mittlerweile bundesweit zum 01. Juli dieses Jahres bei € 2.015. Zum Vergleich: am 01.01.2020 waren es € 1.940 und zum 01.07.2019 gar nur € 1.891. Obwohl die Kosten stark anstiegen, ist die Anzahl der Bürger die eine private Pflegeversicherung abgeschlossen haben, vergleichsweise gering.
Zwei Drittel der Haushalte können sich vollstationäre Pflege maximal ein Jahr leisten
Wie kann man diese Kosten ohne Absicherung überhaupt aufgefangen? Hierzu wurde vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln, anhand der Vermögens- und Einkommensdaten des Sozio-Ökonomischen Panels (SOEP), die finanzielle Belastung durch einen auftretenden Pflegefall untersucht. Zugrunde lagen die Vermögensdaten der Haushalte mit Fokus auf Erwerbstätige zwischen dem 45. und 65. Lebensjahr, sowie der auf Rentner. Das Ergebnis ist erschreckend. Rund zwei Drittel der beiden Haushaltsgruppen sind nicht in der Lage, die vollstationäre Dauerpflege für eine Person über einen Zeitraum von einem Jahr aus eigenem Vermögen zu bestreiten.
Zahl der Pflegebedürftigen wird sich bis 2050 verdoppeln
Schätzungen zufolge verdoppelt sich die Zahl der Pflegebedürftigen bis zum Jahr 2050. Schon heute liegt die Gefahr einmal selbst Pflegepatient zu werden bei 50 Prozent. Auch ist damit zu rechnen, dass zumindest zeitweise sogar mehrere Haushaltsmitglieder parallel gepflegt werden müssen. In früheren Zeiten lebten meist mehrere Generationen unter einem Dach, was zumindest die anfängliche Pflege etwas vereinfachte. Doch heute leben rund ein Drittel der erwachsenen Kinder mindestens 100 Kilometer von ihren Eltern entfernt. Somit wird die Notwendigkeit einer Heimunterbringung wahrscheinlicher.
Rentnergeneration noch in komfortabler Lage
Betrachtet man die aktuelle Rentnergeneration und deren Einkommen separat, so sehen die Zahlen deutlich besser aus. Im Jahr 2017 waren fast 72 Prozent in der Lage einen einjährigen Pflegeaufenthalt zu finanzieren. Wie die Untersuchung des IW Köln aber zeigt, lassen sich diese Zahlen nicht in die Zukunft projizieren. Eine kombinierte Betrachtung von Vermögen und Einkommen verdeutlicht, dass die der über 65-Jährigen hierzulande zwar nur über unterdurchschnittliche Einkommen, dafür aber über höhere Vermögenwerte verfügen. Angesichts der Entwicklung von Wirtschaft und Demografie ist es jedoch kaum anzunehmen, dass die Folgegenerationen ebenso gut situiert sein werden.
Eklatante Wissenslücken
Erschreckend - 21 Prozent der Umfrageteilnehmer gehen von einem Eigenanteil unter € 1.000 aus. "Die Unkenntnis über die Kosten der Pflege für den Einzelnen und ihre Finanzierung zieht sich durch alle Bevölkerungs- und Altersschichten", erläutert Marco Bargel, Chefvolkswirt der Postbank, zu den Ergebnissen der Umfrage. "Es ist erstaunlich, dass sogar Menschen im Rentenalter, für die die eigene Pflege ein greifbares Szenario ist, und die wahrscheinlich im eigenen Umfeld bereits mit dem Thema konfrontiert wurden, nicht besser informiert sind."
Trügerische Sicherheit
Immerhin gaben 59 Prozent der Befragten an, zusätzlich für die Pflege im Alter vorzusorgen. 36 Prozent davon erhalten oder schaffen Vermögenswerte, weitere 33 Prozent sparen. Eine private Pflegeversicherung haben 22 Prozent abgeschlossen. "Es ist nicht möglich, angemessen vorzusorgen, wenn man das abzusichernde Risiko falsch einschätzt", davon ist Bargel überzeugt. "Die Mehrheit der Befragten, die angaben, privat für Pflegekosten vorzusorgen, verweisen auf Ersparnisse und Vermögenswerte, wie ein Eigenheim, die im Pflegefall für die Finanzierung der Kosten eingesetzt werden sollen. Diese Menschen wiegen sich in trügerischer Sicherheit, da die Pflegekosten die Höhe der Ersparnisse oder den Wert einer Immobilie übersteigen können."
Personen, die nicht privat für die Pflege im Alter vorsorgen, begründen das mit fehlendem Geld (48 Prozent), dass der Staat für die Pflegekosten aufkommt (44 Prozent) oder glauben, es reiche aus, in die gesetzliche Pflegeversicherung einbezahlt zu haben (38 Prozent).
Risiken werden ausgeblendet
"Es ist sehr beunruhigend, dass ein so hoher Anteil der Befragten nicht vorsorgt. Sie geben die Verantwortung an den Staat ab oder stellen Ansprüche an die gesetzliche Pflegeversicherung, die nicht realistisch sind. Menschen unter 40 Jahren sollten sich darauf konzentrieren, Risiken wie die Rentenlücke oder Berufsunfähigkeit abzusichern. Ab 40 Jahren, spätestens jedoch mit 50 Jahren, sollte man sich mit der Pflegevorsorge auseinandersetzen", so Bargel. Die Umfrage brachte weiterhin ans Tageslicht, dass jeder Vierte (25 Prozent) nicht vorsorgt, weil er sich mit dem Thema nicht auskennt und jeder Sechste (17 Prozent) weil es zu kompliziert ist. Sind Sie gegen die finanziellen Folgen einer Pflegebedürftigkeit abgesichert?