Können 30 Millionen Bausparer irren?
Funktionsweise des Bausparens
Der Bausparvertrag ist ein Sparvertrag, der nach Erfüllung maßgeblicher Kriterien als Darlehen für wohnwirtschaftliche Zwecke eingesetzt werden kann. Um einen Kreditanspruch zu haben, muss in der Ansparphase ein Mindestguthaben – in der Regel 40 oder 50% - der Bausparsumme erreicht werden. Als weitere Zuteilungsvoraussetzungen gelten: Mindestvertragsdauer, Mindestbewertungszahl sowie Mindestsparzeit. Sind alle Anforderungen erfüllt, kann der Bausparer den bis zur Vertragssumme fehlenden Teil als Bauspardarlehen in Anspruch nehmen und erhält nach Zuteilung die volle Bausparsumme.
Beispiel: Vertragssumme ist € 100.000, Sparguthaben € 50.000: somit erhält der Bausparer ein Darlehen von € 50.000 + sein Sparguthaben € 50.000 also einen Gesamtbetrag von € 100.000 ausbezahlt.
Sinn fraglich
Im Niedrigzinsumfeld ist der Sinn eines Bausparvertrag fraglich. Aber dennoch verkaufen Banken dieses Produkt häufig ihren Kunden zur Finanzierung einer Immobilie zusätzlich zum Immobiliendarlehen. Inzwischen wird der größte Teil selbstgenutzter Eigenheime auf diese Weise finanziert.
Das scheinbar „gute Geschäft“ ist zunächst einmal im Sinne der Banken. Denn für Bausparverträge fließen hohe Abschlussgebühren. Allerdings ist der Nutzen für den Kunden eher zweifelhaft. Sie sollten genau nachrechnen und auch einige mutige Annahmen über die zukünftige Zinsentwicklung treffen.
Bausparvertrag als Kapitalanlage?
Als reine Geldanlage ist der Bausparvertrag abzulehnen, da der Guthabenzinsen (weit) unterhalb der realen Inflationsrate liegt. Läuft ein bestehender Vertrag aus, wird oft zeitgleich ein neuer Abschluss getätigt, weil es schon immer so gemacht wurde. Aber bei den aktuell äußerst niedrigen Renditen, stellt sich die Frage nach dem Sinn.
Historischer Rekord
Sowohl die Vertragsanzahl als auch das Volumen hat in Deutschland einen historischen Rekord erreicht. Im Jahr 2013 wurden 3,3 Millionen Neuverträge vermittelt - somit existieren gesamt erstmals über 30 Millionen Bausparverträge. Das Volumen beträgt € 850 Milliarden und die Bausparsummen wachsen doppelt so schnell wie die Wirtschaftsleistung.
Bausparverträge lohnen sich bei Niedrigzinsen nicht
Es gibt nur wenige Finanzprodukte deren Sinn so kontrovers diskutiert wird. Einerseits bietet das Produkt mittlerweile (fast) keine Guthabenzinsen, sowie vergleichsweise hohe Gebühren, aber auf der anderen Seite steht ein garantierter Darlehenszins, gleichgültig was auf dem Markt passiert.
„Im derzeitigen Niedrigzins verstehen es die Banken gut, den Kunden Angst vor höheren Zinsen bei der Anschlussfinanzierung zu machen“, sagt Hartmut Schwarz, Leiter Finanzdienstleistungen bei der Verbraucherzentrale Bremen. Nach dem Motto, die Zinsen können eigentlich nur noch steigen, würden die Produkte verkauft. „Dabei lohnen sich die Bausparverträge für die meisten Immobilien im Dauerniedrigzinsumfeld nicht“, sagt der Verbraucherschützer.
Verbraucherschützer raten das Geld in Tilgung zu stecken
Momentan zahlen die Bausparkassen im Schnitt einen Zins von „mageren“ 0,25 %. Des weiteren wird beim Abschluss eine Gebühr fällig, die in der Regel 1 bis 1,6 % der Bausparsumme beträgt. Beispiel: Bei einer Bausparsumme von € 100.000, werden bereits mindestens € 1.000 bei Beginn für den Kunden fällig. „Die meisten Immobilienkäufer würden besser damit fahren, das gesamte Geld in die Tilgung zu packen, statt einen Teil in einem Bausparvertrag zu sparen“, sagt Verbraucherschützer Schwarz. „Ein einfacher Vergleich zwischen Sparzins und dem Kreditzins macht das deutlich.“
Bausparvertrag nur sinnvoll bei steigenden Zinsen
Dieser Argumentation widersprechen die Bausparkassen entschieden. Die „Welt“ hat in Zusammenarbeit mit der Bausparkasse BHW ermittelt, für wen sich ein Bausparvertrag lohnt.
Es wurden drei Szenarien für eine Baufinanzierung über 300.000 Euro berechnet:
1) Der Kunde nutzt das klassische Annuitätendarlehen, bei dem er monatlich Zins und Tilgung zahlt. Anfangs werden meist nur Zinsen gezahlt, aber im Laufe der Zeit steigt der Tilgungsanteil. Nach einer Laufzeit von 10 Jahren ergibt sich eine Restschuld von € 181.805.
Dieser Betrag muss nun weiter finanziert werden – allerdings ist er dem Risiko einer Marktzins-Änderung ausgesetzt.
2) Hier handelt es sich um die Kombination aus einem Annuitätendarlehen mit einem Bausparvertrag. Dies stellt mittlerweile den Standardfall in Deutschland dar. Beim Hypothekenkredit in Höhe von € 200.000 werden monatlich Zins und Tilgung fällig. Beim zweiten Darlehen mit einem Betrag von € 100.000 müssen nur Zinsen bezahlt werden. Parallel dazu wird ein Bausparvertrag angespart, der den Kredit am Ende ablöst. In diesem Fall wird das Risiko einer Zinsänderung auf bestehende Restschuld – ca. € 120.000 - des Annuitätenkredits vermindert. Wegen anfallender Kosten und Zinsen unterhalb der Inflationsrate in der Ansparphase des Bausparers, lohnt diese Version nur wenn nach den 10 Jahren die Kreditzinsen auf über 4 % gestiegen sind.
3) Diese Variante ist für den Bauspar-Fan, der die gesamte Finanzierung von € 300.000 über ein Darlehen seiner Bausparkasse tätigt. Auch hier gilt die 4-Prozent-Schwelle. Voraussetzung ist, dass der Bausparvertrag zum vereinbarten Termin auch tatsächlich zugeteilt werden kann, andernfalls erhöht eine notwendige Zwischenfinanzierung die Kosten. Bei einem Bankdarlehen können Tilgungsraten frei vereinbart werden. Hingegen bestehen bei der Bausparkasse feste Vorgaben mit hohen Tilgungssätzen, welche die monatlichen Belastungen stark erhöht. Bei unvorhersehbaren Veränderungen wie etwa Arbeitslosigkeit, Scheidung, Todesfall o.ä. wird die finanzielle Belastungsgrenze schnell erreicht.
Bausparvertrag ist eine Zinswette
„Der Bausparvertrag ist eine Zinswette“, sagt Rüdiger Grimmert von der Bausparkasse BHW. Die Immobilienkäufer würden darauf setzten, dass das Baugeld bei der Zuteilung in einigen Jahren teurer ist als heute. Wer allerdings damit rechnet, dass Zinsen länger auf dem aktuell niedrigen Niveau bleiben, braucht sich mit dem Thema Bausparen nicht auseinander zu setzen. Bei der aktuellen Politik der europäischen Zentralbank (EZB) ist ein Anstieg wenig realistisch.
Bei einer Beratung, die auf einen Bausparvertragsabschluss abzielt, steht leider nur der zukünftig garantierte Darlehenszins im Vordergrund. Der Verlust in der Ansparphase, aufgrund einer Rendite die gegen Null geht, wird im Regelfall nicht angesprochen. Bei effektiver Anlage der Sparrate ist ein kleineres Darlehen von nöten. Ein weiterer negativer Aspekt bei der Beratung ist das Thema Zuteilung und eine evtl. darauf folgende Zwischenfinanzierung, auch das findet keine Beachtung. Klar kann niemand eine eindeutige Finanzmarktprognose von einer Bausparkasse verlangen. Aber leider wird der Kunde nicht darüber aufgeklärt, dass es sich bei der vermeintlichen soliden Finanzierung auf Basis eines Bausparvertrages in Wirklichkeit um eine Wette handelt, die auch scheitern kann. Mit diesem fundierten Wissen, würden sich wahrscheinlich Millionen Immobilienfinanzierer gegen den teuren Bausparvertrag entscheiden.
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