Über 11 Millionen Arbeitnehmern droht Rente unter Grundsicherungsniveau
(5362 x gelesen) im Arbeit als MaklerÜber 11 Millionen Arbeitnehmern droht Rente unter Grundsicherungsniveau
Über elf Millionen Arbeitnehmer hierzulande werden im Alter nur eine Mini-Rente erhalten, mit der sie ihren Lebensunterhalt kaum bestreiten können. Das geht aus einer Antwort des Bundesarbeitsministeriums auf Anfrage der AfD-Bundestagsfraktion hervor, die dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) vorliegt. So war im Jahr 2017 der Verdienst von rund 11,32 Millionen Menschen so gering, dass die Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung nach 45 Beitragsjahren das aktuelle staatliche Grundeinkommen nicht übersteigen wird.
€ 24.289 Jahreseinkommen notwendig, um Brutto-Grundsicherungsbedarf zu erreichen
Zum jetzigen Stand ist nach den Berechnungen des Bundesarbeitsministeriums ein versicherungspflichtiges Jahresentgelt in Höhe von € 24.289 notwendig, um nach 45 Beitragsjahren eine Nettorente über dem durchschnittlichen Brutto-Grundsicherungsbedarf zu erreichen.
Beschwichtigung durch Deutsche Rentenversicherung
Ein Sprecher der Deutschen Rentenversicherung bemühte sich gegenüber dem RND, die Zahlen zu relativieren. Es handle sich lediglich um „Berechnungen von fiktiven Rentenanwartschaften“, die jedoch ohne wissenschaftlich belegte Basis sei. Unklar ist auch, ob besagte Personen tatsächlich nur über ein solch geringes Einkommen verfügen. Außerdem hätten viele Betroffene weitere Einnahme-Quellen, um der Altersarmut entgegen zu wirken, wie etwa eine betriebliche Altersvorsorge, private Kapitaleinkünfte, Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung oder Einkünfte des Partners. Diese Aussagen klingen sehr nach Beschwichtigung.
Jeder vierte Beschäftigte erhält Niedriglohn
Die genannten Zahlen zeigen trotz aller Relativierungen zwei Hauptprobleme auf. Zum einen werden zukünftig mittlere Einkommen nicht mehr ausreichen, um mit Leistungen aus dem Topf der gesetzlichen Rentenversicherung im Alter den Lebensstandart aufrecht zu halten. Und zum anderen verharrt der Niedriglohnsektor trotz Mindestlohn auf hohem Niveau.
Laut einer aktuellen Studie des Deutschen Wirtschaftsinstitutes (DIW Berlin), zeigt sich der Niedriglohnsektor stabil. In den 90er Jahren waren rund 16 Prozent aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse betroffen, danach folgte ein starker Anstieg. Neben Arbeitsmarktreformen unter der Ära Gerhard Schröder waren auch Privatisierungen und abnehmende Tarifbindungen dafür verantwortlich. Der Anteil stagniert seit der Bankenkrise im Jahr 2008 und liegt nun aktuell bei 24 Prozent. Somit erhält jeder vierte Beschäftigte brutto einen geringeren Stundenlohn, als den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn von € 10,80. Dies betrifft vor allem Frauen und junge Erwachsene. Auffällig dabei ist auch die Abweichung zwischen den alten und neuen Bundesländern – im Osten beträgt der Anteil 34, im Westen 22 Prozent.
Wenige schaffen den Sprung in besser bezahlte Jobs
Anders als vom Sprecher der Deutschen Rentenversicherung suggeriert, schaffen Betroffene selten den Sprung in einen besser bezahlten Job. Nur etwa ein Drittel gelangten in der Vergangenheit, meist durch Weiterbildung oder einen zusätzlichen Berufs- oder Studienabschluss, in ein höheres Lohnsegment. „Dass der Niedriglohnsektor lediglich als Übergang oder gar als Sprungbrett gilt, erweist sich für die meisten als Illusion,“ kommentiert Studienautor Markus Grabka vom DIW Berlin. „Vielmehr gibt es eine Niedriglohnfalle. Der Niedriglohnsektor, zu dem viele Minijobs gehören, sollte eingedämmt werden.“
Angeblich nur drei Prozent in Altersarmut
Wie groß ist derzeit das Problem der Altersarmut tatsächlich? In seiner Antwort verweist das Bundesarbeitsministerium auf Anfrage der AfD, dass aktuell nur drei Prozent der Altersrentner Grundsicherung nach SGB XII erhalten. Im Jahr 2017 lag die Grundsicherung im Bundesdurchschnitt bei einem monatlichen Satz in Höhe von € 814. Da die Lebenshaltungskosten regional unterschiedlich sich, variieren auch die Leistungen für das jeweilige Bundesland, am niedrigsten ist Sachsen mit € 736 veranschlagt, Hamburg mit € 884 am höchsten. Aktuell erhalten rund eine halbe Million Personen Zuwendungen.
Hohe Dunkelziffer
Zugleich besteht eine hohe Dunkelziffer bei der Altersarmut, denn betroffene Senioren scheuen häufig den Gang zum Sozialamt. Gründe dafür sind Unwissenheit, Scham oder auch die Sorge, dass damit ihre Kinder zur Kasse gebeten werden. Die Verteilungsforscherin Irene Becker errechnete für die Tageszeitung „Welt“, dass hierzulande zwischen 184.000 und 494.000 Rentner in sogenannter verdeckter Armut leben.
Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung werden weiter sinken
Allein schon aufgrund der demografischen Entwicklung müssen die Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung weiter sinken, wenn die Rentenpolitik keine radikalen Änderungen auf den Weg bringt – realistisch betrachtet tendieren die Chancen gleich Null. Ein weiteres Problem betrifft das Versagen der politischen Entscheidungsträger – lesen Sie dazu folgenden Blogartikel: „Offenbarungseide der deutschen Politik“ aus dem Jahr 2016, der nichts an Brisanz und Aktualität verloren hat. Warum viele Bürger mit ihrem Einkommen nicht zurechtkommen, liegt hauptsächlich an der immensen Steuerbelastung und den beträchtlichen Sozialabgaben. Die Abgabenquote für einen ledigen Bundesbürger beträgt im Durchschnitt 39,7%, unter den 36 OECD-Ländern gibt es nur einen Staat, der einen höheren Steuersatz fordert, nämlich Belgien mit 39,8 %. Im Gegenzug liegt das Niveau der gesetzlichen Rentenversicherung aktuell bei 48,9 %, EU-Durchschnitt 70,6 %. Noch Fragen? Diese Zahlen muss man einfach wirken lassen.