Einen Ausverkauf bei Aktien gibt es nicht - auch nicht im Krieg Teil II
Negative Schlagzeilen führen in die Irre…
Sie wird aber auch von einem bestimmten Typus negativer Schlagzeilen noch verstärkt. Insbesondere Neuanleger, die noch über keinen langen Erfahrungsschatz an den Börsen verfügen, greifen dann nach jedem Strohhalm und saugen jede Nachricht auf. Das kann allerdings schnell in die Irre führen, vor allem wenn es sich um solche oder ähnliche Titelzeilen handelt:
„Ausverkauf an der Wall Street nimmt Fahrt auf“
„Die Verkaufspanik an den Weltbörsen greift um sich
„Anleger fliehen aus dem Rubel“
„Nach fünf Monaten Rohstoffparty stürzen alle in Richtung Notausgang“
„Investoren ziehen sich aus Schwellenländern zurück“
„Dax schließt mehr als 350 Punkte im Minus – Anleger weichen auf Gold und Anleihen aus“
„Stampede raus aus Aktien und rein in Anleihen“
„Anleger setzen auf Sichere-Hafen-Investments“
„Anleger suchen Zuflucht in Defensivwerten“
„Flucht in Qualitätsanleihen“
… und sind schlichtweg falsch
Solche Überschriften sorgen zusätzlich für eine Verstärkung der eigenen Unsicherheit. Sie stellen sich als Anleger die Frage, ob Ihre Anlagen nicht auch betroffen sind – das kann dann einen regelrechten Angst-Tsunami auslösen und zu Reaktionen führen wie Komplettverkauf oder Reduzierung der Bestände. Sehr wichtig für Sie ist nun die Erkenntnis, dass die oben aufgelisteten Artikelüberschriften und Aussagen schlichtweg falsch sind – denn jede einzelne Aussage ist sachlich nicht möglich.
Für jeden Verkäufer gibt es einen Käufer
Für jeden Verkäufer muss es einen Käufer geben – jeder Verkauf ist zugleich immer ein Kauf. Wenn also jedes Wertpapier, jeder Vermögenswert, zu jedem Zeitpunkt von jemandem gehalten werden muss, dann sind solche Schlagzeilen schlichtweg falsch und irreführend. In der wissenschaftlichen Finanzökonomie spricht man dabei von „Equilibirum Accounting“ (Gleichgewichtsbuchhaltung).
Mit dieser Erkenntnis können Sie viele dieser Aussage als falsch entlarven (sensationsgeil). Vielmehr sollten Sie bedenken, dass solche Schlagzeilen schädlich sind, nämlich dann, wenn Sie sie befolgen. Diese Gleichgewichtsbuchhaltung beinhaltet zwei einfache, aber fundamentale Feststellungen:
1. Käufe und Verkäufe in den Kapitalmärkten halten sich in jedem relevanten Zeitraum genau die Waage.
2. Jedes Wertpapier muss zu jedem Zeitpunkt einen Besitzer haben.
Also selbst, wenn die Börse im Mega-Crash nach unten taumelt, sind genauso viele Käufer wie Verkäufer da. Ein „Rückzug der Anleger“ (das heißt des Marktes) aus einer Aktie oder einer Anlageklasse, eine „Flucht“ oder „Umschichtung von niedriger Qualität in hohe Qualität“ oder ein „Ausverkauf“ – all das kann es weder auf der Ebene des Marktes noch auf der Ebene eines einzelnen Wertpapiers geben.
Eine Medienschlagzeile wie „Raus aus Aktien und rein in Anleihen“ ist deswegen sowohl in Bezug auf Aktien als auch in Bezug auf Anleihen ganz einfach Quatsch. Auf jeden aus Aktien heraus stürmenden Anleger kommt ein in Aktien hinein stürmender Anleger.
Das Gleichgewichtsprinzip beachten
Insbesondere bei starken Kursrückgängen wird Ihnen dieses Gleichgewichtsprinzip als sachlogisches Konzept hilfreich sein. Genauso trifft es bei extremen Kursanstiegen zu. Dann heißt es in den Medien beispielsweise „Ansturm auf z.B. Tesla-Aktien“. Solche falschen Formulierungen lösen bei einigen Privatanleger einen FOMO-Kauf aus (Fear of Missing Out = die Angst etwas zu verpassen und nicht dabei zu sein), ein vorwiegend Gier-getriebenes Investment, das statistisch in über 50 Prozent der Fälle schadet.
Die tatsächlich vorkommenden Preis-Crashs in einem Markt geschehen nicht, weil plötzlich alle kaufen oder alle verkaufen (das ist technisch unmöglich), sondern ganz banal, weil der Markt, also die Aktienanleger als Kollektiv, seine Einschätzung zu den Zukunftsaussichten eines Wertes oder einer Anlage-Klasse deutlich ändert. Das wäre natürlich eine eher unspektakuläre Artikelüberschrift und deswegen werden wir sie nirgendwo lesen.
Warum ist das Wissen um Equilibrium Accounting so nützlich?
Für Sie als Privatanleger dürfte es einen beträchtlichen Unterschied machen, ob Sie irrtümlich glauben, eine drastische Kursbewegung nach unten primär dadurch verursacht ist, dass jetzt alle oder jedenfalls sehr viele Anleger bestimmte oder viele Aktien abstoßen. Oder ob Sie richtig glauben, dass es nach wie vor genauso viele Käufer gibt, die in bestimmte oder viele Aktien einsteigen und der Markt lediglich seine kollektive Einschätzung des Preises an neue Informationen angepasst hat.
Wenn Sie sich dieses unscheinbare, aber oft unterschlagene Faktum dann vergegenwärtigen, werden Sie erkennen, wie viele öffentliche Schlagzeilen unlogisch, übertrieben oder falsch sind. Das wird Ihnen helfen, schädliche Kauf- oder Verkaufsentscheidung zu vermeiden. Wenn Sie dann auch noch in Aktien, die ein sehr guter Inflationsschutz sind, über aktiv gemanagte Fonds investieren, können Sie langfristig tatsächlich auch in Krisenphasen gelassen bleiben.
Quelle: https://www.invers-gruppe.de/download.script?id=64774