Wird unser Bargeld abgeschafft?
Vor gut einem Jahr hat der Wirtschaftsforscher und Harvard-Professor Kenneth Rogoff in einem Artikel der Financial Times dargelegt, warum nach seiner Meinung das Bargeld abgeschafft werden kann. Ein Thema, das mittlerweile auch hierzulande heftige Diskussionen auslöst.
Große Vorteile für den Staat
Für die Abschaffung des Bargeldes spricht aus staatlicher Sicht einiges. Nicht zu überwachende Geschäfte wie etwa Drogenhandel, illegales Glücksspiel, Schwarzarbeit und Prostitution würden zumindest stark eingeschränkt. Außerdem kämen wir damit dem „gläsernen Menschen“ ein gewaltiges Stück näher. Neben der Möglichkeit alle Telefonate und Aktionen im Internet verfolgen zu können, wäre dann auch jede getätigte Zahlung überwach- und kontrollierbar.
Auch die Zentralbanken würden profitieren
Die Notenbanken wären in der Lage die Zinsen weit unter Null zu setzen und kein Bürger würde sich durch Abheben seines Guthabens dieser Willkür entziehen können. Negativzinsen sind das Hauptargument der akademischen Gegner des Bargeldes. Kenneth Rogoff schreibt in einer wissenschaftlichen Abhandlung, auf welchem der oben genannte Artikel in der Financial Times basiert – das Bargeld bewirkt, dass sich die Leitzinsen maximal auf minus 0,5 Prozent senken lassen. Den Zentralbanken wird es ab diesem Punkt unmöglich gemacht, mit weiteren Zinssenkungen in das Marktgeschehen einzugreifen. Positiv wäre dies für private sowie öffentliche Kreditinstitute, denn sie müssten keine finanzielle Schieflage mehr befürchten, wenn Kunden panisch ihre Gelder von den Konten abziehen.
Bargeldmenge ist zu hoch
Für den Harvard-Professor ist die Menge des im Umlauf befindlichen Geldes in Euro, US-Dollar und Yen, in Relation zum tatsächlichen wirtschaftlichen Bedarf, weitaus zu hoch. Der Grund dafür ist, es befinden sind große Bestände an Barmitteln im Ausland bzw. in illegalen Händen. Als Beispiel führt er die Inhaftierung des mexikanischen Drogenboss Joaquin Guzmán an, bei dem Banknoten in der Höhe von 200 Millionen US-Dollar sichergestellt wurden. Des weiteren gibt es keine aussagekräftigen Zahlen, welchen Anteil die „Schattenwirtschaft“ – umgangssprachlich Schwarzarbeit – an der Wirtschaftleistung der jeweiligen Länder hat. Schätzungen zur Folge liegt dieser in den USA bei sieben bis zehn Prozent, in Europa sogar noch höher.
Bargeld hat auch Vorteile
Kenneth Rogoff führt in seiner Abhandlung auch die Vorteile des jetzigen Systems auf. Aus Sicht der Staaten fällt ein Verlust der Einnahmen aus der sog. Seigniorage (historisch auch Münzgewinn) an. Hierbei handelt es sich um den von der Notenbank erzielten Gewinn durch die Bereitstellung von Zentralbankgeld. An den Münzen verdient beispielsweise die deutsche Zentralbank rund € 300 bis 400 Millionen und die Europäische Zentralbank (EZB) an den Euroscheinen rund € 400 Millionen. Theoretisch kann dieser Verlust mit höheren Steuereinnahmen durch eine starke Reduzierung der Schattenwirtschaft kompensiert werden, sicher ist das aber nicht.
Wie sieht es mit der Unabhängigkeit der Notenbanken nach Abschaffung des Bargeldes aus? Momentan sind diese wirtschaftlich weitgehend unabhängig und finanzieren sich mit dem ihnen obliegenden Privileg der Ausgabe von Geldscheinen und -münzen. Gehen allerdings diese Einkünfte in Form höherer Steuereinnahmen direkt an das Finanzministerium, wird die Rolle der Notenbanken stark geschwächt.
Seit Jahrtausenden bewährt
Bereits seit Jahrtausenden gibt es Barmittel zur Zahlung von Waren und Dienstleistungen. Eine Abschaffung dieses Systems kann unvorhersehbare Folgen haben. Rogoff sieht hier vor allem die Gefahr, dass die Darlehensnachfrage stark sinke. Würde dieser Fall eintreten, steigt im Gegenzug die Bedrohung der allseits befürchteten Deflation mit ihren negativen Begleiterscheinungen – Reduzierung der Wirtschaftsleistung, geringere Steuereinnahmen, höhere Arbeitslosigkeit etc.
Cyber-Attacken sind zu befürchten
Als weiteres Argument für Bargeld gilt, es ist simpel und altbewährt. Ein weltweites Bezahlsystem ist immer abhängig von der Verfügbarkeit einer funktionierenden Onlineverbindung. Über die Anfälligkeit gegenüber Cyber-Attacken kann zum jetzigen Zeitpunkt nur spekuliert werden, v.a. wenn man bedenkt wie viele Firmen und auch Politiker in letzter Zeit auf einfache Weise „gehackt“ wurden.
Alle Währungen müssten abgeschafft werden
Eine Bargeldabschaffung könnte nur dann funktionieren, wenn sämtliche Barmittel aller weltweit anerkannten Währungen gleichzeitig verboten würden. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass sich weiter vorhandene Währungen in den Ländern, in welchen das Bargeld verboten ist, rasch als sogenannte „Schattenwährungen“ etablierten könnten. Beispiele aus der Vergangenheit und Gegenwart in Ländern mit hoher Inflation gibt es zur Genüge. Auch wenn es Befürworter zur Beseitigung von Bargeld gibt, erscheint dies – zumindest zum jetzigen Zeitpunkt – als wenig wahrscheinlich. Es besteht kaum eine Chance, dass sich die Europäische Union, Japan, USA, Singapur und die Schweiz auf ein gemeinsames Vorgehen einigen.
In der Steinzeit klappte es auch
Es ist eine Milchmädchenrechnung wenn man glaubt, ohne Bargeld gibt es keine Prostitution, keine Schwarzarbeit und keinen Drogenhandel mehr. Wie bereits in der Steinzeit werden Anbieter und Konsumenten Mittel und Wege finden, um ihre „Geschäfte“ am Laufen zu halten – auch ohne Cash.
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